6 Dinge, die Du über Nachhaltigkeit wissen musst (1/5)

The kids are NOT alright.
Wie wir schon dargestellt haben, hätten auch wir gerne vermeintlich kuschelige Plüsch-Hundebetten, fancy Farben und Stoffe angeboten. Warum wir uns dagegen entschieden haben, erklärt Euch unsere Gründerin Alexandra hier.
Mehr als 80 % der Umweltauswirkungen – auch auf das Klima – eines Produkts werden bereits in der Designphase bestimmt und sind in Materialien und Farben verankert.
Und alle, die jetzt denken: „Geh‘ mir weg mit Klima“, muss ich leider enttäuschen. „Das Klima“ geht nicht weg und ihm ist auch egal, was aus ihm wird. Anders als einigen von uns.
Dass viele so denken, liegt daran, dass die Medien uns vermitteln „die Erde“ oder „das Klima“ muss gerettet werden. Dem Klima kann's Klima aber deshalb egal sein, weil es nicht verschwinden kann. Auch die Erde wird nicht untergehen, da hatte unser Herr Bundeskanzler ein seltenes Mal recht, als er sagte: „Und die Welt – Herr Strempel – geht nun in der Tat morgen nicht unter. Ja, das ist unsere Auffassung.“ (Friedrich Merz, ARD Morgenmagazin, 27.04.2023). Einen Planeten, der Asteroideneinschläge, Supervulkane, Eiszeiten und Massenaussterben sah, juckt Klimawandel mit Verlaub: Null. Auch nicht, wenn er dieses Mal von einem kleinen Teil der Wesen stammt, die hier leben. Denn am Ende des Tages, sind es sie, die untergehen und verschwinden können. Nur diesmal halt durch selbstgemachte Probleme, da wir an dem Ast sägen, auf dem wir sitzen, und uns und unsere Lebensgrundlagen sehenden Auges kaputt machen. Die einen sehr, die anderen gar nicht.
Das Verhalten derer, die sehr stark an dem Ast sägen, auf dem wir alle sitzen, lässt sich einfach zusammenfassen: Sie leben nicht nachhaltig. Aber was heißt das konkret, nicht nachhaltig?
Eigentlich ist nachhaltiges Wirtschaften nichts Neues, wie die Definition des Ehrbaren Kaufmanns zeigt. Trotzdem etablierte sich folgendes Verständnis, das auf Gro Harlem Brundtland, die erste Ministerpräsidentin Norwegens, zurückgeht.

Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/9d/Gro_Harlem_Brundtland_ca.1974%E2%80%931979.jpg
Unter ihrer Leitung veröffentlichte die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung 1987 den „Brundtland-Bericht“ (Our Common Future – unsere gemeinsame Zukunft). In ihm wird nachhaltige Entwicklung als „Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne die Fähigkeit künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen“ definiert.
Es geht beim Thema Nachhaltigkeit also NICHT darum „das Klima“ oder „die Welt“ zu retten, sondern zukünftige Generationen.
Für mich kommt Nachhaltigkeit von „etwas nachhalten“ im Sinne von jemandem etwas erhalten, übergeben zu wollen. Für mich ist der Lackmustest für nachhaltiges Handeln sich – persönlich oder kollektiv als Unternehmen – zu fragen: Wie steht es um unsere Fähigkeit etwas nachzuhalten? Was wollen wir unseren (Enkel-)Kindern übergeben? Und in welchem Zustand?
Wie ich erzählt habe, habe ich 4 Jahre in der Nachhaltigkeitsstrategie-Beratung gearbeitet. Wenn ich Euch nur 6 Erkenntnisse aus dieser Zeit mitgeben könnte, wären es diese:
1. Die Hybris des Homo sapiens
2. Planetare Grenzen
3. Ein Donut für alle, den einige überproportional stark angefressen haben
4. Overshoot Days
5. Die aktuelle Bemessung des Wirtschaftswachstums ist KEIN Wohlstandindikator
6. Das physikalische Klima hängt an unserem gesellschaftlichen Klima
Spoiler: Ich bin mir sicher, dass niemand danach noch denkt: „Geh mir weg mit Klima“ oder: „Wir können ja eh nichts (mehr) machen“.
1. Die Hybris des Homo sapiens
Wenn ich mich in Zentren von Großstädten umsehe, finde ich es jedes Mal wieder bezeichnend, dass ich meistens keine einzige Fläche mehr sehe, die nicht von Menschen versiegelte wurde, auf der kein Haus steht, kein Beton gegossen wurde oder Pflastersteine verlegt wurden, kurz um: Wo man noch Erde sieht.
Dabei ist die Erde noch unglaublich vielfältig: Millionen Arten von Bakterien, Pilzen, Tieren, Pflanzen, Algen. Wir als Menschen machen von den Lebewesen nur einen Bruchteil aus: Lediglich 0,01 % entfallen auf den Homo sapiens. So nennen sich diese 0,01 % – lateinisch für „weiser“, „gescheiter“ Mensch“.

Theoretisch haben wir hier also eigentlich gar nichts zu melden – praktisch leider schon. Unser Umgang mit den 99,99 % anderen Lebewesen auf diesem Planeten zeichnet sich durch maßlosen Hochmut aus. Wir sprechen nicht von unserer Mitwelt – so wie wir von unseren Mitbürgern und Mitmenschen sprechen – wir sagen Umwelt, und verraten so: Wir stehen im Mittelpunkt und die Umwelt, das ist die Welt, die uns umgibt. Und so führen wir uns auch auf: Voller Fokus auf das, was uns vermeintlich weiterbringt. Gut zu sehen im Flugzeug. Hier sieht man sehr gut, wie entkoppelt die 0,01 % Homo sapiens von der Natur sind. Aus dem Fenster schauen und diesen unglaublichen Ausblick und Perspektivwechsel genießen? Fehlanzeige. Nach vorne glotzen, Musik hören, Filme gucken, lesen. Als sitze man in einem Bus ohne spektakuläre Aussicht.
An Land bewegen wir heute pro Jahr mehr Sedimente und Gesteine als alle natürlichen Prozesse wie Erosion oder Flüsse zusammen. Die Folge? 25 % der weltweiten Landmasse wurde durch Menschenhände degradiert (John D. Liu, Ökologe, Commonland Foundation, in Kiss the Ground). Wir greifen immer mehr in die von uns zum Großteil nicht verstandenen Ökosysteme ein.
Wir bestimmen, welche Tiere überleben und welche auf roten Listen landen. Durch unser Schalten und Walten haben wir es geschafft, dass es mittlerweile zehnmal so viele „Nutztiere“ (was für ein krankes Wort) unter barbarischen Haltungsbedingungen wie wildlebende Säugetiere und Vögel gibt, von denen wir uns paar Arten herauspicken, die wir gnädigerweise von der Menschengemachten Ausrottungsliste retten wollen.
Wortwörtliche Hidden Champions – wie Bakterien, die u. a. den Boden erhalten und regenerieren, Überschwemmungen indirekt kontrollieren, Dürreperioden indirekt mildern, Schadstoffe filtern und Abfall assimilieren – haben fast keine Befürworter. Unternehmen werben lieber damit, dass sie Eisbären unterstützen, als Kunden zu sagen, dass sie in die Verbesserung der Bodenqualität investieren.
Kurzum: Zu viele Menschen haben angefangen Gott zu spielen – mindestens aber massivst Raubbau an diesem Planeten zu betreiben – und das war gar nicht so sapiens (weise, gescheit), wie folgende Zahlen zeigen.
2. Planetare Grenzen
Wie wir unseren natürlichen Lebensgrundraum übernutzen und in welchen Bereichen wir diesen Planeten über seine Belastungsgrenzen gebracht haben, zeigt das Model der planetaren Grenzen.

Quelle: https://www.stockholmresilience.org/research/planetary-boundaries.html
Es zeigt 9 planetare Grenzen, von denen 7 überschritten sind. 2025 wurde zum ersten Mal auch die planetare Grenze für die Ozeanversauerung überschritten. Hauptursache ist die Verbrennung fossiler Energieträger, verstärkt durch Abholzung und Landnutzungswandel.
Zum Vergleich: 2009 waren „nur“ 3 planetare Grenzen überschritten waren, 2015 4 und ab 2023 6.

Quelle: https://www.stockholmresilience.org/research/planetary-boundaries.html
Das Bundeministerium für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit beschreibt dieses Model so:
„Ein Kreis von etwa 30 internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern um Johan Rockström vom Stockholm Resilience Centre publizierte im Jahr 2009 den Fachartikel ‚A safe operating space for humanity‘ (Ein sicherer Handlungsraum für die Menschheit). Die Autorinnen und Autoren formulierten darin für neun zentrale biophysikalische Systeme und Prozesse der Erde sogenannte „planetare Belastbarkeitsgrenzen“, die zusammen einen sicheren Handlungsraum definieren.
Werden diese Belastbarkeitsgrenzen überschritten, erhöht sich das Risiko großräumiger, abrupter oder irreversibler Umweltveränderungen (‚Kipp-Punkte‘) (…). Vergleichen kann man die planetaren Grenzen mit den Kriterien eines Check-Ups beim Arzt: Wer zum Beispiel zu hohen Blutdruck hat, wird nicht sofort einen Herzinfarkt erleiden. Je höher der Blutdruck aber steigt, und je länger er höher liegt, als der als „gesund“ festgelegte Wert, desto höher ist das Risiko. Wenn dazu noch zu hoher Cholesterinspiegel und zu hohes Gewicht kommen, wird die Lage kritisch.“
Das Bundesministerium warnt vor dem Übertritt dieser Grenzen:
„Der relativ stabile erdgeschichtliche Zustand des seit dem Ende der letzten Eiszeit vor etwa 11.000 Jahren herrschenden ‚Holozäns‘ ist der bisherige Rahmen natürlicher Lebensbedingungen für die gesamte Zivilisationsgeschichte der Menschheit. Diesen stabilen Zustand zu verlassen, könnte eine nachhaltige Entwicklung gefährden: Armut zu beenden, gesunde Lebensbedingungen zu schaffen, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung und Stabilität zu ermöglichen, Gerechtigkeit und Frieden zu fördern, Lebensqualität und Wohlstand zu erhalten – all dies wird nicht möglich sein, wenn das Fundament fehlt: eine stabile, gesunde Umwelt und eine intakte Natur.“
Weiter führt es aus: „Das Konzept der planetaren Belastbarkeitsgrenzen macht deutlich, dass sich der Klimawandel in eine ganze Reihe riskanter, durch Wechselwirkungen miteinander verbundener Veränderungen im Erdsystem einfügt und somit nicht die einzige gravierende globale Umweltveränderung darstellt. Das Konzept illustriert, dass der menschengemachte Klimawandel zwar ‚die größte Gesundheitsbedrohung für die Menschheit‘ darstellt, wie es unter anderem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschreibt, eine Fokussierung auf den Klimawandel allein aber für mehr Nachhaltigkeit, für den Erhalt unseres sicheren Handlungsraums nicht ausreicht. Stattdessen ist ein integriertes Verständnis von entscheidender Bedeutung. Ziel ist das Verständnis der Wechselwirkungen der planetaren Grenzen untereinander, insbesondere des Klimas und des Verlusts der Artenvielfalt.“
Jährlich veröffentlicht das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung eine Aktualisierung des Rahmenwerks im sogenannten Planetary Health Check.
In Teil 2 erklärt Euch Alexandra das Model des Donuts, den einige überproportional stark angefressen haben, und zeigt Euch, was es mit sog. Overshoot Days auf sich hat.