Hundebett Expertenwissen – Materialkunde: Hanf (1/3)

Kleiderwerkstatt des 16. Jahrhunderts mit Schneidern und Arbeitern, die Hanfkleidung herstellen

Hundebett Expertenwissen – Materialkunde: Hanf (1/3)

Als wir zum ersten Mal von Nutzhanf-Textilien hörten, dachten wir: cool, endlich ein natürlicher, stabiler, Leinen-ähnlicher optisch schöner Stoff. Nie hätten wir gedacht, welche unglaubliche Geschichte mit diesem Super-Stoff verbunden ist. Aber lest selbst.

1. Was macht Hanf zu einem Super-Material?

Hanf findet sich bei fast allen Ausgrabungen prähistorischer Städte – meistens in Form von Textilresten und Samen. Nach Europa kam Hanf erst im 13. Jahrhundert. Schnell erfreuten sich die Menschen der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten, da jeder Teil dieser Zero-Waste-Pflanze nutzbar ist: Stängel, Samen, Wurzeln, Blätter, Blüten. So fällt bei seiner Verarbeitung kein bis wenig Abfall an. Hanf erreicht in nur 5 Monaten eine Höhe von bis zu 4 Metern. Die Blätter wurden als natürliches Medikament (bspw. zur Wundbehandlung) und für den Bücherdruck genutzt – die erste Bibel wurde 1455 auf Hanfblättern gedruckt. Hanf ist stärker als Stahl und wurde für Uniformen, Taue, Seile und Segeltücher genutzt. Das Segeltuch der Santa Maria, dem Flaggschiff, mit dem Columbus Amerika entdeckte, war auch aus Hanf, da sich andere Materialien durch die ständige Nässe aufgelöst hätten.

Aus Hanfsamen wurde wertvolles Öl gepresst, das in vielen Weltregionen Grundnahrungsmittel für Tiere und Menschen war, weil es einen hohen Proteingehalt von über 25 % aufweist.

Aber Hanf hat auch viele gesundheitsfördernde Aspekte. 

Hanf wirkt entzündungshemmend

Cannabidiol (CBD) ist eine von über 100 Verbindungen, die in Nutz- / Industrie-Hanf vorkommt. Im Gegensatz zu THC (Tetrahydrocannabinol), einem psychoaktiven Bestandteil von Cannabis, der nur mit max. 0,3 % in Nutzhanf enthalten sein darf und somit wirkungslos ist, hat CBD keine berauschende Wirkung. 

Diese Studie stellte in allen acht untersuchten Cannabinoiden eine entzündungshemmende Wirkung fest. Dabei erwies sich insbesondere Cannabidiol als hochwirksam, das in frei verkäuflichen Produkten enthalten ist.

Aber warum wirkt Cannabidiol entzündungshemmend?

Cannabidiol löst eine entzündungshemmende Kettenreaktion aus, indem es das Enzym 15-Lipoxygenase-1 aktiviert. „Dieses wirkt vor allem auf die sogenannten Lipidmediatoren ein, die der Körper aus mehrfach ungesättigten Fettsäuren herstellt. Die Lipidmediatoren regulieren die Immunantwort und beeinflussen alle Entzündungsprozesse. Sie bremsen beispielsweise die Produktion von Botenstoffen, wie den sogenannten Eicosanoiden. Dabei handelt es sich um hormonähnliche Stoffe, die Entzündungsprozesse befeuern.
Zugleich verstärkt CBD die Bildung entzündungsauflösender Botenstoffe. Dazu gehören sogenannte spezialisierte pro-auflösende Mediatoren (SPMs), die die Ausschüttung entzündungsfördernder Zytokine bremsen. CBD legt in den betroffenen Zellen quasi einen Schalter um, der das Entzündungsgeschehen von der fördernden zur hemmenden Seite lenkt, so Studienleiter Dr. Paul Mike Jordan von der Universität Jena. Erste Ergebnisse in Zellkulturen überprüften die Forschenden in Experimenten mit Mäusen." Als besonders chancenreich stuft Studienleiter Dr. Paul Mike Jordan die CBD-Therapie von Menschen mit rheumatischen Erkrankungen ein.

Diese Studie findet etwas klarere Worte, indem sie Cannabidiol aufgrund seiner entzündungshemmenden Wirkungen bei verschiedenen entzündlichen Erkrankungen sogar als „Killer für entzündliche rheumatoide Arthritis“ bezeichnet, die auch bei Hunden vorkommt.

Hanf wirkt krebshemmend

Laut Krebsinformationsdienst, der durch die Bundesministerien für Bildung und Forschung sowie Gesundheit gefördert wird, gibt es aus in vitro-Studien und Tiermodellen Hinweise auf eine tumorinhibierende (= tumorhemmende / -blockende) Wirkung von Cannabidiol (CBD).

Es gibt eine Reihe von präklinischen In-vitro- und In-vivo-Studien, die darauf hindeuten, dass Cannabinoide – einschließlich Cannabidiol – bei einer Vielzahl von Krebsarten krebshemmend wirken, einschließlich einer Rolle beim Absterben von Krebszellen und bei der Blockierung des Wachstums von Krebszellen.
Diese Studien-Übersicht zeigt die vielseitige Anti-Krebs-Wirkung von Cannabidiol bei verschiedenen Krebsarten:

Studien-Übersicht zeigt die vielseitige Anti-Krebs-Wirkung von Cannabidiol bei verschiedenen Krebsarten

So wirkt Cannabidiol nicht nur direkt auf Krebszellen, sondern auch auf die Tumorumgebung, indem es die Entwicklung von Blutzellen, die den Krebs ernähren, stoppt, seine Ausbreitung verhindert und Entzündungen reduziert.

Bei Hirntumoren konnte Cannabidiol, allein oder in Kombination mit anderen Wirkstoffen, nachweislich erfolgreich Zelltod induzieren, Zellmigration und -invasion in vitro hemmen, Tumorgröße, Vaskularisierung, Wachstum und Gewicht verringern sowie das Überleben erhöhen und in vivo eine Tumorregression induzieren.

Cannabidiol hat sowohl in kultivierten Krebszelllinien als auch in Maustumormodellen starke antiproliferative und proapoptotische Effekte auf eine Vielzahl von Krebsarten gezeigt. Darüber hinaus kann Cannabidiol auch die Migration, Invasion und Neovaskularisierung von Tumoren hemmen. Dies deutet darauf hin, dass Cannabidiol nicht nur auf Tumorzellen wirkt, sondern auch das Tumormikromilieu beeinflussen kann, bspw. durch die Modulation infiltrierender mesenchymaler Zellen und Immunzellen.

Hier haben wir für Euch weitere spannende Studien zu dem Thema zusammengestellt:

  1. Bifulco et al. Cannabinoids and cancer: Pros and cons of an antitumour strategy. Br. J. Pharmacol., 2006.
  2. Bifulco et al. Endocannabinoids in endocrine and related tumours. Endocr. Relat. Cancer, 2008.
  3. Carchman et al. The inhibition of DNA synthesis by cannabinoids. Cancer Res., 1976.
  4. Munson et al. Antineoplastic activity of cannabinoids. J. Natl. Cancer Inst., 1975.
  5. Ramer & Hinz. Cannabinoids as anticancer drugs. Cannabinoid Pharmacol., 2017.
  6. Piomelli. The molecular logic of endocannabinoid signalling. Nat. Rev. Neurosci., 2003.
  7. Ivanov et al. Inhibition of ATM kinase upregulates levels of cell death induced by cannabidiol and γ-irradiation in human glioblastoma cells. Oncotarget, 2019.
  8. Jeong et al. Cannabidiol-induced apoptosis is mediated by activation of Noxa in human colorectal cancer cells. Cancer Lett., 2019.  --> „Zusammengefasst haben die in dieser Studie erzielten Ergebnisse die Wirkung der CBD-Behandlung in vivo erneut nachgewiesen und damit ihre Rolle als neues, zuverlässiges Krebsmedikament bestätigt.
  9. Nabissi et al. Triggering of the TRPV2 channel by cannabidiol sensitizes glioblastoma cells to cytotoxic chemotherapeutic agents. Carcinogenesis, 2013.
  10. Dieser Artikel verweist auf diese Studien-Übersicht: Castle et al. Meta-analysis of medical cannabis outcomes and associations with cancer, Frontiers in Oncology, 2025.  

Hanf wirkt antimikrobiell

Hanf hilft auch im Kampf gegen ansteigende Antibiotikaresistenzen. Diese Meta-Studie untersuchte Naturstoffe umfassend auf ihre potenziellen antibakteriellen Wirkungen im Kampf gegen bakterielle Antibiotikaresistenzen, nachdem Cannabinoide aufgrund ihrer vielfältigen biologischen Wirkungen – darunter angstlösende, entzündungshemmende, schmerzstillende, antioxidative und neuroprotektive Eigenschaften – Aufmerksamkeit erregten. Die Studie kam zu dem Schluss, dass Erkenntnisse darauf hindeuten, dass Cannabinoide auch signifikante antimikrobielle Eigenschaften besitzen und die Wirksamkeit herkömmlicher antimikrobieller Wirkstoffe steigern können. Das synergistische Potenzial von Cannabinoiden in Kombination mit Standardtherapien unterstreicht zudem ihr Potenzial als neuartige Strategie zur Bekämpfung von Arzneimittelresistenzen. Cannabinoide bieten einen vielversprechenden Ansatz für die Entwicklung innovativer Behandlungen zur Bekämpfung medikamentenresistenter Infektionen und zur Verringerung der Abhängigkeit von herkömmlichen antimikrobiellen Wirkstoffen. Für das wichtigste nicht-psychoaktive Cannabinoid Cannabidiol, konnten in dieser Studie vielversprechende antibakterielle Wirkungen nachgewiesen werden. Sein antimikrobieller Mechanismus weist Ähnlichkeiten mit bereits bekannten antibakteriellen Wirkstoffen wie Penicillin und Cephalosporinen auf. Die Studie unterstützt die potenzielle Entwicklung von Cannabidiol als Antibiotika-Alternative. Während diese Studie zeigte, dass Cannabidiol eine hervorragende Wirkung gegen Biofilme, eine geringe Neigung zur Resistenzbildung und eine topische in-vivo-Wirksamkeit aufweist und das Potenzial bekräftigt Cannabidiol-Analoga (künstlich hergestellte, ähnliche Verbindungen zu Cannabidiol) als dringend benötigte neue Klasse von Antibiotika weiterzuentwickeln.


2. Warum wurde Hanf verbannt? Oder: Why we didn’t live hempily ever after?

Die Antwort auf die Frage: Was ist das Großartige an Hanf? führte uns – wie alle guten Antworten – zu weiteren Fragen. Unter anderem auch zu der: Warum sind heutzutage nicht viel mehr Produkte (vor allem Kleidung) aus Hanf? Und so stießen wir auf die Geschichte des Hanf-Verbots.

Die Baumwollspinnerei und die Entdeckung der endlichen und fossilen Ressource Erdöl beflügelten die industrielle Revolution und machten Hanf Konkurrenz. Die Bedeutung von Hanf als wertvolle Nutz- und Heilpflanze rief Lobbyisten aus der Textil- (Baumwoll-Anbaubetriebe), Chemie-, Pharma- sowie Papier- und Holzindustrie auf den Plan. Vor allem, nachdem 1916 leitende Wissenschaftler des US-Landwirtschaftsministeriums (USDA), Jason L. Merrill und Lyster H. Dewey, das Bulletin Nr. 404 „Hanfschäben als Material zur Papierherstellung“ veröffentlichten. Darin kamen sie zu folgendem Schluss: Nach mehreren Versuchen unter Behandlungs- und Herstellungsbedingungen, die im Vergleich zu Zellstoffholz als vorteilhaft gelten, wurde Papier hergestellt, das sowohl von Prüfern als auch vom Handel sehr positiv bewertet wurde und nach offiziellen Tests als maschinenveredeltes Druckpapier der Spitzenklasse eingestuft werden würde. Das an Hanf zunehmend mehr wirtschaftliches Interesse bestand, zeigt auch folgendes Beispiel: Mit der Einführung der Entrindungsmaschine, die den Arbeitsaufwand in der Hanfproduktion um den Faktor 100 reduzieren sollte, für die der deutsch-amerikanische Erfinder George Schlichten 1919 ein Patent erhielt, galt Hanf als wirtschaftlichere Alternative zum Papierzellstoff der Zeitungsindustrie. An dieser Maschine war u. a. eine Gruppe bekannter Bankiers, Landwirte und Obstbauern interessiert, die die California Hemp Industry, Inc. mit dem Ziel gründete, Anbau und Verarbeitung von Hanf Kalifornien zu fördern – inkl. dem Bau einer Hanfstadt.

Zitat von Epiktet

Was passierte also, nachdem diese vielversprechende Entrindungsmaschine eingeführt wurde?

Lobbyisten griffen auf Rassismus und Propaganda zurück, um in der amerikanischen Öffentlichkeit Empörung und Angst zu schüren. Besonders wichtig waren dabei drei Männer und ein Unternehmen:

Harry Anslinger

Der Ex-Eisenbahndetektiv heiratete die Nichte des Multimilliardärs Andrew Mellon. 1926 vertritt Anslinger noch die Meinung, dass es „wahrscheinlich keinen größeren Irrtum gibt“ als die von konservativen Politikern behauptete Verbindung zwischen Cannabis und Gewalttaten. Diese ändert er nur vier Jahre später als sein Schwieger-Onkel Mellon 1930 Finanzminister der USA wird und Anslinger in seine Behörde holt. Anslinger wird Chef des „Federal Bureau of Narcotics“, das Mellon in seiner Finanz-Abteilung gegründet hatte, und beginnt Drogen – wie Cannabis und Opium – dem Zuständigkeitsbereich seiner Behörde zu unterstellen. Aber die American Medical Association unterstützte ihn nicht dabei. So zündete er die zweite Stufe: Er wandte sich an die Boulevardpresse und bat um Horrorgeschichten über den „Marihuana-Wahnsinn“, damit er sich – Kraft seines Amtes – offiziell diesem Problem annehmen konnte. Für die besten Geschichten lobte er sogar Preise aus.
Die Argumente, mit denen Anslinger die Boulevardpresse fütterte, waren nicht mit gesundheitlichen Aspekten durchzogen, sondern mit rassistischen Vorurteilen. So schrieb er v. a. „Mexikanern“ und „Schwarzen“ den Großteil des Konsums zu und unterstellte ihnen im Rausch weiße Frauen zu vergewaltigen.

Anti Hanf Propaganda in Amerika

Quelle: https://www.etsy.com/de/listing/95507345/crazed-youth-digital-druckbare-collage

Ein gefundenes Fressen für die Boulevardpresse, insbesondere den Medien-Tycoon William Hearst, der Anfang des 20. Jahrhunderts das größte Zeitungsunternehmen Amerikas besaß und zu den reichsten Menschen der Welt gehörte.

 

William Hearst

Hearst besaß 25 Tageszeitungen, 24 Wochenzeitungen, 12 Radiosender, zwei weltweite Nachrichtensender und andere Medienfirmen. Auch das Modemagazin Harper’s Bazaar, das bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts als Konkurrenzprodukt der Vogue galt. Für Hearst lief es so gut, dass er sich so ein Anwesen leisten konnte.
Laut einigen Quellen hatte er Holzbestände und sah sie durch die neue Hanf-Verarbeitungstechnologie bedroht und befürchtete, dass Hanffasern Holzzellstoff ersetzen könnten, da er über riesige Ländereien verfügte.
Dieser Artikel geht sogar weiter und konstatiert: Mitte der 1930er Jahre, als die neuen mechanischen Maschinen zur Entfaserung von Hanf und zur Konservierung des zellulosereichen Hanfzellstoffs endlich auf dem neuesten Stand der Technik, verfügbar und erschwinglich waren, drohten den enormen Holz- und Anbauflächen sowie den Unternehmen der Hearst Paper Manufacturing Division, Kimberly Clark – und praktisch allen anderen Holz-, Papier- und großen Zeitungskonzernen – Milliardenverluste und möglicherweise sogar der Bankrott. Auf unsere Frage nach der Quelle der „Bankrott-Behauptung“, erhielten wir leider keine Antwort.
Dieser Artikel bezieht sich auf den Biografen von Hearst, laut dem Hearst keine eigenen Waldbestände hatte und als Zeitungsmogul von den günstigeren Hanf-Papier-Preisen profitiert hätte.
Da uns neu wäre, dass sich ein Biograf gegen den Biografierten ausspricht (zumal er Hearst damit in ein ganz schlechtes Licht rücken würde), halten wir die Theorie der anderen 3 Quellen für wahrscheinlicher. Hearst hätte sich auch gar nicht für den Ausbau und die Etablierung von Hanfpapier einsetzen können, ohne sein Gesicht zu verlieren, nachdem er vorher Jahre lang federführend für die Verbreitung rassistischer Propaganda durch seine Medien gesorgt hatte. Was hätte er sagen sollen? „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern. Hanfpapier ist jetzt günstiger, cool, also vergesst meine Berichterstattung der letzten Jahre.“? Er hätte gar nicht mehr zurückgekonnt.

Welcher weitere Herr seine Finger im Hanfverbot-Spiel hatte, welches Unternehmen massivst von diesem Verbot profitierte und wie unsere Welt heute aussehen würde, wäre Nutzhanf nicht niedergemacht und verboten worden, erfahrt Ihr in Teil 2.