6 Dinge, die Du über Nachhaltigkeit wissen musst (5/5)

Nachhaltigkeit gesellschaftliches Klima

6. Gesellschaftliches Klima

Nachdem wir in Teil 4 der Artikel-Serie 6 Dinge, die Du über Nachhaltigkeit wissen musst, thematisiert haben, dass die aktuelle Bemessung des Wirtschaftswachstums KEIN Wohlstandindikator ist, zeigen wir Euch im letzten Teil der Artikel-Serie, wie stark es beim enkelgerechtes wirtschaften auf das gesellschaftliche Klima ankommt.


Ein Blick zurück zeigt, dass enkelgerechte Wirtschaftsentscheidungen möglich sind.

Da ist zum einen die Erfolgsgeschichte des FCKW-Verbots
1974 veröffentlichten die Chemiker Frank Sherwood Rowland und Mario Molina einen unscheinbaren Artikel (drei Seiten, nur Text) mit dem nüchternen Titel „Stratosphärische Senke für Fluorchlormethan-Verbindungen – Chlor-katalysierter Abbau von Ozon“.
Er enthielt fünf chemische Reaktionsgleichungen und den Hinweis auf eine bevorstehende Katastrophe, indem zwei Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) langfristig für einen Abbau des Ozons in der Stratosphäre sorgen würden.
FCKW war als Kühlmittel in Kühlschränken / Klimaanlagen, Treibgas in Spraydosen, Blähmittel bei der Schaumstoff-Produktion, Reinigungsmittel für Textilien und in elektronischen Bauteilen üblich.
FCKW-Produzenten wiegelten ab. Sie relativierten die Erkenntnisse als theoretisch, monierten das Fehlen konkreter Beweise. Doch siehe da, die Politik reagierte – und zwar schnell. Ein Jahr später erlässt der US-Bundesstaat Oregon als erster ein FCKW-Verbot in Spraydosen, weitere Bundesstaaten und Länder folgen. 
Für ihre Arbeit wurden die 2 Chemiker 1995 mit dem Nobelpreis in Chemie honoriert

Noch mehr Beispiele gefällig?

  • Bleifreies Benzin: Man kann keine Motoren bauen, die ohne verbleites Benzin funktionieren.
  • Katalysatoren: Was? Nein, die Motorleistung wird kollabieren. Das kann man nicht bauen. Selbst als Katalysatoren 1983 in anderen Ländern schon Standard waren, bezeichnete der für Umwelt zuständige Innenminister Fritz Zimmermann (CSU) entsprechende Forderungen als „weltfremd“
  • Entschwefelungsanlagen in Kraftwerken: Gott bewahre! Die Stromversorgung wird kollabieren.

Hier lohnt auch ein Blick in andere Länder, z. B. Japan: Jährlich werden in Japan 2 Listen veröffentlicht: Die Top10 der zehn energiesparendsten Elektrogeräte und eine mit jenen, die so ineffizient sind, dass sie nicht mehr verkauft werden dürfen. Die Motivation der Unternehmen nicht auf der 2. zu landen, ist dementsprechend hoch. Japan wendet diese Methode erfolgreich auf alle Elektrogeräte an. So fiel bspw. der Strom-Verbrauch bei Kühlschränken von 2,51(1994) auf 0,38 Kilowattstunden je Liter Kühlschrankvolumen.

All diese Beispiele zeigen, wie viel wir Wissenschaftlern und grünen Politikern zu verdanken haben und dass wir ihren Empfehlungen folgen sollten.

Dass es sich lohnt, den Kampf gegen eine starke, entschlossen lügende Lobby zu führen (noch 1994 sagten Vorstandsvorsitzende von sieben großen Tabakunternehmen vor dem US-Kongress unter Eid aus, dass sie nicht glauben, dass Nikotin süchtig macht), zeigen auch zwei Beispiele aus der Tabakindustrie, die aufgrund ihrer großen Macht und Lobby nicht umsonst Big Tobacco genannt wird – wie der Bruder Big Oil.

Ich erinnere mich noch an meine Zeit in einer großen Hamburger Werbeagentur. Jedes Mal, wenn ich zu den FFF-Kollegen (Film, Funk, Fernsehen) ins andere Gebäude ging, musste ich gefühlt Nebenscheinwerfer einschalten, weil der Zigaretten-Rauch so stark in ihren Büroräumen stand. Das Interesse dieser Minderheit wog größer als die Gesundheit derer, die keinen Bock hatten, vollgeraucht zu werden, auch, wenn sie – wie ich zu der Zeit noch – selbst rauchten. Das Rauchen in geschlossenen Räumen wurde weitgehend verboten.
Auch die Werbung, nach der Menschen durch Zigarettenrauch glücklicher werden, musste die Tabakindustrie zu Grabe tragen. Freiheit und Abenteuer ließen sich mit an Lungenkrebs leidenden Marlboro-Cowboys nicht mehr vermarkten.

In anderen Lebensbereichen sind die Werbe-Lügen leider immer noch en vogue. Wolfgang Schmidbauer zeigt das in „Raubbau an der Seele: Psychogramm einer überforderten Gesellschaft“ (S. 233) am Beispiel von Red Bull. 2009 gab das Unternehmen eine Milliarde Euro für Werbung aus, die sie natürlich als Unternehmensausgaben von der Steuer absetzen können 😉, während es nur 600 Millionen kostete, das Getränk zu produzieren. Der Gesetzgeber schweigt.

Gesellschaftliches Klima

 

Die Politik sollte Unternehmen dazu verpflichten den Impact ihrer Produkte und die wahren Kosten zu beziffern. Was? Spinnst Du, das geht nicht. Doch, geht. Seit Jahrzehnten wird ja schließlich auch auf jeder Zigarettenpackung auf die Gesundheitsschäden hingewiesen.

Also, was kosten 500 g gemischtes Hackfleisch wirklich? Welche Gesundheitskosten befeuern Getränke wie Red Bull – gerade bei Jugendlichen? Verleihen sie Flügel oder Hüftgold, mit dem es sich gar nicht mal so beflügelt durch’s Leben gehen lässt? Würden Unternehmen ihre Produkte / Dienstleistungen mit realistischeren Preisen auszeichnen, wäre auch ersichtlich, wie viel sie eigentlich unterschlagen. Ein Unternehmen, das 500 g gemischtes Hackfleisch für 4,89 € verkauft, was schon im oberen Preissegment liegt, stiehlt 6,30 € pro Packung. Wo und wem klaut es die? Uns allen, denn wir kommen für die Kosten auf, um genau zu sein sind es:
+ 2,82 € für Gesundheitsrisiken für Menschen in der Lebensmittelproduktion. Dieser Posten ist der teuerste, da Fleischverarbeitung viele Arbeitsschritte erfordert und die Gesundheitsschäden durch die teils lebenslangen gesundheitlichen Folgen besonders hoch sind, z. B. durch Haut- oder Atemwegserkrankungen, die durch Pestizide entstehen
+ 1,75 € für Bodenschäden durch die Futtermittelproduktion, da die Humusschicht verloren geht und Böden so unfruchtbarer werden und Erträge geschmälert werden
+ 1,57 € für Klimaschäden aufgrund von freigesetztem Methan aus der Tier-Verdauung, durch den CO₂-Ausstoß von Diesel-Traktoren oder durch die fehlende CO₂-Absorption von Wäldern, die in Agrarland umgewandelt wurden
+ 0,16 € im Bereich Wasser, da Gewässer mit Nitraten, Phosphaten und Pestizidrückständen aus der Futtermittelproduktion und Tierhaltung belastet werden

Jedes Mal, wenn es in der Kasse von Unternehmen klingelt, die kein sog. True Cost Accounting betreiben, zahlen wir drauf. Jeder von uns. Der Durchschnittsfleischkonsum betrug in Deutschland 2024 53 kg. Da über die Hälfte davon auf Schweinefleisch entfiel, rechnen wir mal mit 27 kg.
27 kg / 500 Gramm = 54 Packungen Hackfleisch. 
54 Packungen Hackfleisch x 6,30 € von den Unternehmen nicht bezahlte Kosten = 340,20 € --> 340,20 € an Kosten musste ein Mensch in Deutschland also 2024 nicht für's Hackfeisch zahlen. Macht bei 83,51 Millionen Menschen in Deutschland 28,41 Milliarden Euro. So hoch ist die Summe in 2024, die Unternehmen, die Hackfleisch verkauften, nicht zahlten, obwohl sie die Schäden verursachten.

In diesem Artikel findet Ihr die echten Preise für andere Lebensmittel (ja, er kostet etwas, 1 € um genau zu sein, wenn man das Probe-Abo abschließt und direkt wieder kündigt. Jemand muss ja die Arbeit für die Recherche und das Schreiben solcher wichtigen Artikel zahlen, oder?).

Also: Wer trägt diese Kosten? Wer zahlt den wahren Preis von Produkten und Dienstleistungen? Alle, außer die Unternehmen, die diese Preise eben nicht aufrufen.
Und wem das zu extrem ist, weil es zu „totalitär“ sei, dem gebe ich die Worte des Kabarettisten Hagen Rether an die Hand:

„Die Leute geben ihre Privatsphäre bei Facebook ab, lassen sich ohne zu zucken am Flughafen wie potenzielle Verbrecher behandeln, akzeptieren biometrische Personalausweise, aber einen fleischfreien Tag in der Kantine findet man totalitär. (…) Hauptsache, ich habe Fleisch. Und seit Jahrzehnten sehen wir uns an, wie der Regenwald dafür gerodet wird. Das ist totalitär.
Unser Umgang mit der Natur ist das totalitärste, was man sich vorstellen kann.
Aber man klammert sich an das Schnitzel, wie der Ertrinkende ans Senkblei.“ 

Da wir auf regierende Politiker (LINK POLITIK ART.) in Deutschland (siehe Koalitionsvertrag) aber auch in anderen Ländern der EU sowie außerhalb der EU fachlich und moralisch nicht viel geben können, liegt es an den Unternehmern im Sinne eines ehrbaren Kaufmanns zu handeln und an den Kunden enkelgerechtere Kauf-Entscheidungen zu treffen. Unternehmen und Kunden können neben der enttäuschenden Politik für ein gesundes gesellschaftliches Klima sorgen, das imstande ist der Lobbyarbeit mächtiger Industrien die Stirn zu bieten. Prof. Dr. Sebastian Seiffert, Chemiker und Professor für physikalische Chemie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, fasst in diesen knapp 5 Minuten einleitenden Worte an seine Studierenden (ein Zusammenschnitt der Grundvorlesung physikalische Chemie inkl. Gast-Beitrag des ZDF-Wettermoderators Özden Terli) zusammen, was Klimaschutz ist und wie das Klima der Erde von unserem gesellschaftlichen Klima abhängt.

Falls nach dem Video noch jemand Zweifel an der Existenz dieser Temperatur-Szenarien oder der Dringlichkeit hat aus der fossilen Energieträger-Förderung auszusteigen, sind diese 10 Min. mit dem renommierten deutschen Klimaforscher und Gründungsdirektor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hans Joachim Schellnhuber gut investierte Zeit (mindestens aber ab Min. 04:02 und interessant, wie auch hier noch versucht wird den Wissenschaftlern die Schuld an der mangelnden Aufklärung der Bevölkerung zu geben – ab Min. 8). Hans Joachim Schellnhuber warnt: Bei einer 3 Grad Erwärmung würden 2 - 3 Milliarden Menschen auf der Flucht sein, weil der Bereich um die Inneren Tropen unbewohnbar wird, da Menschen ohne Klimaanlage nicht länger als 3 Stunden draußen überleben würden.
Wo soll dieses Drittel der Menschheit dann hin – gerade in Anbetracht der aktuellen globalen Abschottungspolitik so vieler Länder?

Als Seglerin möchte ich mit diesem Zitat schließen, weil ich weiß, dass am Ende des Tages nicht die Technik oder das Equipment der größte Sicherheitsgarant ist, sondern die Crew. We may have all come on different ships, but we're in the same boat now." (Martin Luther King Jr.)


Same Boat

Und dieser Crew empfehle ich den Song „Grasgelb“ von Enno Bunger: 

Seh' ich noch richtig in dieser seltsamen Welt?
Gas soll jetzt grün sein und das Gras schon bald gelb.
Kann Dir kein Mensch erklären, warum leere Flugzeuge fliegen.
Die letzten Jahre – wen wundert's? Waren die heißesten sieben.
Warum man Öl, Gas und Kohle weiter subventioniert?
Mit elf Millionen pro Minute, wer bitte soll das kapieren?
Mit heiteren Mienen vertrösten sie uns.
Wer vermisst auch schon Bienen, solang die Wirtschaft noch brummt?

Resignieren kann jeder oder Lieder davon singen.
Aber was kann Perspektive und wer kann Hoffnung bringen?
Das ist nicht nur eine Phase, es ist die Frage unsrer Zeit.
Und die Antwort ist die Straße, sie ruft laut: „Lützerath bleibt!“

Schreibe Lieder voller Zynismus und ich habe leider Pech, denn
Kritik am Kapitalismus verkauft sich sehr schlecht.

Doch resignieren kann jeder oder Lieder davon singen.
Doch, wenn alte Perspektiven uns um unsre Hoffnung bringen.
Ist dann noch Zeit für leere Phrasen und dafür, dass noch jemand schweigt?
Wäre es nicht Zeit, dass diese Frage uns alle auf die Straßen treibt?
Ja, resignieren kann jeder, lass uns lieber davon singen.
Lass uns um Perspektiven und um jede Hoffnung ringen.
Komm, wir gehen auf die Straßen, dann läuft die Zeit nicht mehr allein.
Wir alle teilen eine Frage, 
komm, lass uns Teil der Antwort sein.